Wednesday

Gutachtung 1

Die geographische und kulturelle Verbreitung der modernen Wissenschaften, über den europäischen und nordamerikanischen Raum hinaus im Laufe des 19. und des 20. Jahrhunderts ist ein wichtiger Zug der Hochmoderne. Dies gilt auch für die Mathematik, die auch vorher schon, etwa in der Spätantike und im „Mittelalter“ (um die Periode aus europäischer Sicht zu benennen) starke internationale Züge trug. Für die hochmoderne Periode (20. Jhd.) gibt es seit etwa zwei Jahrzehnten Bestrebungen, diesen Aspekt auch historisch zu erforschen. Dabei haben aus vielen verschiedenen Gründen, die hier nicht weiter zu erörtern sind, die beiden ostasiatischen Länder Japan und China besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Seltsamerweise gibt es bisher noch keine einschlägigen Studien zur Modernisierung der Mathematik in Indien -eine kulturelle Region, die ebenso lange und tief greifende vormoderne Mathematikentwicklung aufzuweisen hat wie die beiden genannten ostasiatischen Länder. Ebenso wenig ist bisher die Einführung der modernen Mathematik im Iran studiet worden, dessen Wissenschaftler einen hohen Anteil an der mittelalterlichen Arbeiten der arabisch-islamischen Periode hatten.

Frau Elliees Arbeitsvorhaben beginnt, diese Lücke zu beheben. Die Antragstellerin kann dabei auf vorliegende Studien zur Modernisierung des Bildungswesens im Iran seit Mitte des 19. Jahrhunderts aufbauen und in Richtung der Rolle der Mathematik in diesem Modernisierungsprozess weiterführen. Es handelt sich hier, was den modernen Iran angeht, um Neuland. Insofern ist es eine Einschränkung des Arbeitsvorhebens auf gut ausgewählte Schlüsselaspekte absolut notwendig. Eine Breitenerfassung der Entwicklungen des Übergangs von den tradtionellen, islamisch geprägten höheren Bildungsinstitutionen 19. Jahrhundert im Iran zur Aufnahme „westlicher“ (europäischer) Wissenschaft ist zur Zeit nicht anzuraten. dazu müsste als Vorarbeit das Studium der Wissenschaftsentwicklungen in islamisch geprägten gesselschaften der frühen Neuzeit weiter entwickelt sein. Dies ist jedoch ein Desideratum der Wissenschaftsgeschichte, auf das Sonja Brentjes (z. Zt. Universität Sevilla) in ihren jüngeren Studien hinweist – mit eigenen Beiträgen in diese Richtung.

Frau Elliees promotionsprojekt greift daher an der Stelle an, an der die verbindung zur jüngeren europäischen Wissenschaftsgeschichte offensichtlich ist. Das Zentrum ihrer Studie richtet sich auf eine Gruppe (von etwa 20) iranischen Studenten, die in den 1920/30er Jahren an europäische Universitäten, insbesondere nach Paris, geschickt wurden, um sich dort an ausgewählten Themen in den stand der Mathematik des 20. Jahrhunderts einzuarbeiten und dieses Wissen und diese Arbeitsmethoden in den Aufbau des modernen Universitätswesens in Iran einzubringen. Frau Elliees Vorhaben, Ausbildung, wissenschaftliche Arbeit intellektuelle, bildungs- und wissenschaftsorganisatorische dieser Gruppe von Mathematikern zu erforschen hat das Potential einen markanten Ansatz für die Einführung der modernen Wissenschaften in den Iran des 20 jahrhunderts zu markieren. Eine exemplarische Beschränkung auf einige ausgewählte Mathematiker der Gruppe ist zu empfehlen und wird auch in der vorgelegten Forschungsskizze deutlich ausgesprochen. Ich unterstütze diese Arbeit hiermit ausdrücklich.

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